Weshalb wir mehr Aufschläge trainieren sollten...

…und natürlich auch mehr Returns! Weil diese beiden Schläge mehr und mehr an Bedeutung gewinnen im modernen Tennis. Wir sollten die Spieleröffnung systematisch trainieren und uns verschiedene Variationen aneignen. Ich möchte dies im folgenden Blogbeitrag anhand der Zahlen der French Open von 2020 veranschaulichen.

Roland Garros in diesem Jahr fand im September und im Oktober statt. Das Wetter war nasskalt, der Boden tief, die Bälle schwer. Im Gegensatz zum traditionellen Termin im Juni waren dies somit komplett andere Bedingungen. Das Spiel wurde stark entschleunigt. Die Fragen vor dem Turnier waren, wer mit diesen Bedingungen am besten klarkommen würde. Die Annahme der Experten waren längere Ballwechsel, weniger Winner, geringere Dominanz der Aufschläger. Diejenigen, die viel Kondition hätten und lange Ballwechsel lieben würden, wären hierbei klar im Vorteil. Aber hatten jene Experten recht. Waren es tatsächlich so viele lange Ballwechsel?

Fakt ist, dass die meisten Ballwechsel kürzer als fünf Schläge waren. Betrachten wir alle 14 Spiele der Damen und Herren ab dem Viertelfinale, so waren von 2515 gespielten Punkten, 1188 Ballwechsel mit 0-4 Schlägen (47,2%). Lediglich 567 Rallyes waren länger als acht Schläge (22,5%). Und 30,30% aller Rallyes hatte die Ballwechsellänge von fünf bis acht Schlägen. Das veranschaulicht die Bedeutung der Spieleröffnung, die den Aufschlag, den Return, den Aufschlag +1 (Folgeschlag des Aufschlägers nach dem Aufschlag) und den Return +1 (Folgeschlag des Returnspielers nach dem Return) beinhaltet.

Es ist also klar, dass wesentlich mehr kurze als mittellange oder gar lange Ballwechsel gibt. Entscheidend ist aber, dass derjenige, der diese kurzen Ballwechsel öfters gewinnt überproportional häufiger den Platz als Sieger verlässt. So gewann in den Matches der Herren ab dem Viertelfinale stets derjenige Spieler auch das Match, der die kurzen Ballwechsel häufiger zu seinen Gunsten verbuchen konnte. Während derjenige, der die Ballwechsel zwischen fünf und acht Schlägen gewann, lediglich zu 71% das Match gewann. Der Spieler, der die ganz langen Ballwechsel mit neun Schlägen oder mehr häufiger gewonnen hat, verließ gar nur zu 64% den Platz als Sieger.

Betrachten wir Mister Roland Garros, Rafael Nadal und im Speziellen das Endspiel gegen Novak Djokovic. Eine wahnsinnig stabile und starke Leistung Nadals! Weshalb aber hat er jenes Endspiel so dominiert. Wieso konnte er Djokovic förmlich überrollen? Weil Nadal zu 68% die kurzen Ballwechsel für sich entscheiden konnte. Nadal gewann hier 53 Punkte. Djokovic lediglich 25. Überlebte Djokovic die Spieleröffnung und es entwickelte sich ein Ballwechsel, der länger als vier Schläge andauerte, war das Geschehen auf dem Platz absolut ausgeglichen. Nadal gewann 53 Punkte, Djokovic 52, wenn die Rallyelänge vier Schläge überstieg. Zufall? Hierzu können wir die Matches von Nadal vor dem Endspiel betrachten. Im Halbfinale gegen Schwartzman gewann Nadal die mittleren Rallyes (5-8 Schläge) häufiger, verlor dafür aber die langen Ballwechsel (9+ Schläge). Aber er dominierte wieder die kurzen Rallyes (zu 61% gewann diese Nadal). Oder das Viertelfinale gegen Sinner. Auch hier gewann der junge Italiener die langen Ballwechsel (mit 33 zu 29 pro Sinner). Nadal hingegen gewann wieder zu 60% die Spieleröffnung. Achtelfinale gegen Korda. Das Ergebnis war mit 6-1, 6-1, 6-2 eine klare Sache für den Spanier. Aber, auch hier wiederum gewann Korda mehr lange Rallyes als Nadal (15 zu 12 pro Korda). Der Schlüssel zu Nadals Dominanz in diesem Match lag aber wieder in der Spieleröffnung (hier gewann Nadal 43 Punkte gegenüber 24), die Nadal zu 64% gewann.

Es ist also recht klar, dass kurze Ballwechsel extrem hohe Bedeutung genießen und wir uns diesen im Speziellen widmen sollten. Bedeutet das nun im Umkehrschluss, gar keine Ballwechsel mehr zu trainieren oder überhaupt nicht mehr „auf Rhythmus“ zu spielen? Nein, sicherlich nicht! Denn ohne Grundsicherheit wird es auch schwierig Aufschlag +1 und Return +1 gut zu spielen. Aber es geht darum, vom ersten Schlag des Ballwechsels Qualität auf den Platz zu bringen. Nadal und Djokovic sind nicht die allerbesten Aufschläger, sie schlagen nicht am härtesten auf, aber sie schlagen sehr clever auf. Und vor allem bestrafen sie sofort jeden schwachen Return des Gegners. Des Weiteren sind diese beiden exzellente Returnspieler, die ihren Gegnern auch gute Aufschläge mit hoher Qualität returnieren und somit oftmals als Rückschläger zumindest in eine neutralen Position gelangen. Auch wir Amateurspieler sollten diesen Schlägen viel mehr Bedeutung zukommen lassen.

Trainiere dies gezielt und strukturiert! Denn wenn auch du die kurzen Rallyes dominierst, wirst du mehr Erfolge auf dem Tennisplatz feiern.