First Serve Rating

Vor einigen Tagen habe ich auf der Website der ATP einen Artikel zum ersten Aufschlag gelesen (A New Way To Evaluate First-Serve Performance | ATP Tour | Tennis). Es ging darum, die Prozentzahl an ersten Aufschlägen im Feld und die Gewinnquote des ersten Aufschlages zu verbinden. Denn es bringt dem Spieler wenig, wenn er zwar viele erste Aufschläge im Feld hat, aber damit wenige Punkte erzielt. Genauso kennen wir alle diese Spieler, die auf jeden ersten Aufschlag voll draufhauen, aber gefühlt nur einen von zehn treffen. Ein guter erster Aufschlag kommt häufig und der Spieler punktet damit oft. Das Problem ist, das die Werte getrennt sind. Hier setzt der Artikel von Craig O´Shannessy an und führt die Prozentzahl erster Aufschläge im Feld und die Gewinnquote des ersten Aufschlags zusammen zum sogenannten First Serve Rating. Dieses errechnet sich folgendermaßen:

% erster Aufschläge im Feld * Gewinnquote mit dem ersten Aufschlag / 100

Beispiel:

Spieler XY trifft 60% seiner ersten Aufschläge ins Feld und punktet damit zu 80%. Er hätte somit ein First Serve Rating von 48, was B+ entsprechen würde. (Siehe Tabelle 1).

Tabelle 1:

First Serve Rating alt

Klassifizierung

60+

A++

55-59,9

A+

50-54,9

A

45-49,9

B+

40-44,9

B

35-39,9

C

30-34,9

D

29,9 und tiefer

F

Allerdings hat das First Serve Rating eine große Schwäche. Es gewichtet nämlich die Prozentzahl an ersten Aufschlägen zu stark. Hierzu möchte ich zunächst ein weiteres fiktives Beispiel geben:

Spieler XY trifft im nächsten Match nun 100% seiner ersten Aufschläge, punktet aber nur noch zu 50%. Er benötigt also nie den zweiten Aufschlag und gewinnt 50 von 100 ausgespielten Punkten. Hingegen trifft Spieler Z nur 50% seiner ersten Aufschläge ins Feld, aber Z punktet, wenn sein erster Aufschlag kommt zu 100%. Er erzielt also ebenfalls 50 Punkte, hat aber bei den 50 Aufschlagfehlern mit dem ersten Aufschlag noch einen zweiten Versuch den Punkt zu gewinnen. Beide Spieler hätten eine First Serve Rate von 50, was A entsprechen würde. Beide würden von 100 Aufschlagen mit dem ersten Aufschlag 50 Punkte erzielen. Allerdings hätte Z noch 50 Mal die Chance mit dem zweiten Aufschlag zu punkten. XY hätte diese Chance nicht. Der Aufschlag von Z ist somit effektiver. Wie könnte man das First Serve Rating (das zweifelsohne eine gute Idee ist) aber verbessern? Und zwar, indem man die Prozentzahl der ersten Aufschläge weniger gewichtet. Hierfür müssen wir den zweiten Aufschlag fiktiv mit einbeziehen. Wir gehen davon aus, dass jeder Spieler mit dem zweiten Aufschlag zu genau 50% punktet. Die neue Berechnung ist etwas komplizierter, dafür aber effektiver. Zunächst nehmen wir das alte First Serve Rating. Dies wäre bei beiden Spielern 50. Nun nehmen wir die Differenz zwischen 100% und der Prozentzahl erster Aufschläge im Feld, und teilen diese Differenz durch zwei (50%) und addieren diesen Wert zum alten First Serve Rating dazu. Nun haben wir ein neues verbessertes First Serve Rating, dass die Gewinnquote stärker mit einbezieht.

XY: 100 * 50 / 100 = 50 (altes First Serve Rating) => 50 + (100-100) / 2 = 50 (neues First Serve Rating)

Z: 50 * 100 / 100 = 50 (altes First Serve Rating) => 50 + (100-50) / 2 = 75 (neues First Serve Rating)

 

Tabelle 2:

First Serve Rating neu

Klassifizierung

80+

A+++

75-79,9

A++

70-74,9

A+

65-69,9

A

60-64,9

B+

55-59,9

B

50-54,9

C

45-49,9

D

44,9 und tiefer

F

Das dies sinnvoll ist, belegen auch die Daten bei den ATP Finals sowie die Daten vom Turnier in Wien. Bei den ATP Finals in London gewann zu 87% der Spieler, der eine höhere Gewinnquote beim ersten Aufschlag hatte. Zwar hatten die Sieger auch eine höhere Quote mit dem ersten Aufschlag, allerdings gewann der Spieler, der mehr erste Aufschläge im Feld hatte lediglich zu 60% das Match. Auch ist die Abweichung bei der ersten Aufschlagquote geringer als die Gewinnquote mit dem ersten Aufschlag. Im Durchschnitt kam der erste Aufschlag zu 66%. Die Sieger waren mit 67,33% leicht über dem Durchschnitt, die Verlierer mit 64,53% leicht darunter. Die Differenz ist mit 2,8% überschaubar. Allerdings punkteten die Sieger zu 78,90% mit dem ersten Aufschlag und die Verlierer nur zu 72%. Dies ist eine Differenz von fast 7%. Betrachten wir nun das von Craig O´Shannessy untersuchte Turnier in Wien. Auch hier sehen die Zahlen ähnlich aus. Zwar hatten die Sieger der Matches in zwei von drei Fällen mehr erste Aufschläge im Spielfeld, aber die Abweichung lag im Durchschnitt in Wien gerade mal bei 1,7% (Sieger 62%, Verlierer 60,3%). Hingegen punkteten die Sieger nun sogar mit einer Differenz von 11,9% häufiger (80,9% Sieger, 69% Verlierer). Und in Wien verließ zu über 90 Prozent (93%) derjenige Spieler als Sieger das Spielfeld, der häufiger mit dem ersten Aufschlag punkten konnte. Interessant ist, dass die Gesamtpunktzahl, mit der die Spieler (Sieger und Verlierer zusammengenommen) mit dem ersten Aufschlag punkten sowohl in Wien als auch bei den ATP Finals bei exakt 75% lag.

Kommen wir nochmal kurz zum First Serve Rating zurück. Um auf diesem Level wie in Wien und London erfolgreich Matches zu bestreiten ist ein First Serve Rating von A (mindestens ein Wert von 65) erforderlich. Bei den ATP Finals in London gab es kein einziges Match indem der Sieger einen Wert von unter 65 erreichte. In Wien waren es dagegen lediglich fünf Matches in denen der Sieger einen geringeren Wert als 65 hatte.

Um einen Wert von 65 zu erreichen, benötigt der Spieler bei 100% Punktgewinn mit dem ersten Aufschlag eine Quote von mindestens 30%. Umgekehrt falls er jeden ersten Aufschlag ins Spielfeld trifft, muss er dennoch zu mindestens 65% den Punkt gewinnen.

Betrachten wir kurz noch konkret die Finalspiele in Wien und London. In Wien schlug Rublev im Finale den Überaschungsmann Sonego, der u.a. auch Djokovic ausgeschaltet hatte. Sonego hatte 62% seiner ersten Aufschläge im Feld und punktete zu 66%. Rublev hatte 60% seiner ersten Aufschläge im Feld, punktete aber zu 87%. Rublev hatte somit ein First Serve Rating von 72,2, was A+ entspricht. Sonego hingegen war knapp unter 60, was B entspricht. Noch interessanter sind die Werte nun in London beim letzten ATP Match des Jahres, das Medvedev in drei knappen Sätzen gegen Thiem gewinnen konnte. Hier hatte Thiem eine weit höhere Anzahl an ersten Aufschlägen im Feld, nämlich 73% gegenüber 60% von Medvedev. Aber Medvedev punktete zu 77% und Thiem lediglich zu 74%. Im alten First Serve Rating würde ein Wert von 54,02 (A)von Thiem einem Wert von 46,2 (B) von Medvedev gegenüberstehen. Im neuen First Serve Rating wäre Thiem auch vorne, allerdings lediglich mit 67,52 zu 66,20, was beides A entsprechen würde. In diesem Match waren beide Spieler, was den ersten Aufschlag anbetrifft auf Augenhöhe. Entscheidend war hier der zweite Aufschlag. Denn mit diesem punktete Medvedev zu 55% und Thiem nur zu 44%. 

Fazit:

Eine vernünftige Quote an ersten Aufschlägen im Feld ist wichtig. Um erfolgreich in den eigenen Aufschlagspielen zu sein, sollte man einen Wert von mindestens 50%, besser 60% ersten Aufschlägen im Feld haben. Noch wichtiger ist allerdings die Effektivität des ersten Aufschlages, nämlich den Punkt zu gewinnen, wenn man den ersten Aufschlag getroffen hat. Eine hohe Quote an ersten Aufschlägen im Feld bringt wenig, wenn man danach prozentual wenige Punkte gewinnt. Wer mehr als drei von vier ersten Aufschlägen mit einem Punkt abschließt fährt wirklich gut. Alles unter 75% ist auf höchstem Profilevel der Männer fast schon zu wenig.